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18.09.2020

„Wir haben früh einen sehr guten Weg gefunden“

Intensiv und bewegend – die Wochen des Lockdown haben Ärzten und Pflegekräften immens viel abverlangt. Die Chefärztin der Pneumologie am Katholischen Klinikum Koblenz · Montabaur hatte nicht nur bei Patienten und Angehörigen, sondern auch bei ihren Mitarbeitenden die Angst vor diesem Virus gespürt. Doch aus den Erfahrungen nach der ersten Phase ist auch Hoffnung und Mut herauszulesen. Das Virus wird bleiben und der Umgang damit sich den Erkenntnissen anpassen, aber die Medizin hat in der ersten Phase der Pandemie „lernen“ können.

Dr. Jutta Kappes (Archivbild)

Dr. Kappes, welches Zwischenfazit ziehen Sie nach der ersten Phase der Pandemie?

Durch den frühen Austausch der unterschiedlichen medizinischen Fachdisziplinen, insbesondere mit den Kardiologen, Anästhesisten und Intensivmedizinern am KKM, haben wir frühzeitig einen koordinierten Umgang mit der Erkrankung gefunden. Wir hatten schon Isolationswege für mögliche infizierte Patienten geschaffen, bevor es Fieberambulanzen gab. Dazu hatten wir sehr früh eine klare Verfahrensanweisung zur Diagnostik und Therapie entwickelt, basierend auf aktuellen  wissenschaftlichen Studien. Für die klinischen Erkenntnisse stand ich auch im kollegialen Austausch mit befreundeten pneumologischen Kollegen großer Lungenzentren, wie beispielsweise der Universität Heidelberg, Lissabon und Wien, sowie Pneumologen aus Italien. Wir haben klinikintern wöchentlich unsere Behandlungsstrategie interdisziplinär überarbeitet und entsprechend der aktuellen Studienlage das weitere Vorgehen angepasst. Teamworking und Networking sind wie so oft Schlüsselmomente für erfolgreiches Handeln.

Wie hat sich die Krankheit aus medizinischer Sicht für Sie dargestellt?

Der Krankheitsverlauf ist wirklich sehr variabel und durchläuft mehrere Phasen. Mich beeindruckte  besonders die rasante Erscheinungsform. Die kurze Zeitspanne, die es braucht, um einen leicht erkrankten Menschen mit Fieber und Husten in einen schwer instabilen Patienten zu verwandeln. Das ist sicherlich der Grund, warum weltweit so viele Patienten intubiert werden mussten, also künstlich beatmet wurden. Im März gingen wir davon aus, dass unter der sogenannten invasiven Beatmungstherapie bei Covid-19 nur rund zehn bis 20 Prozent der Patienten überleben. Wir sind bewusst einen anderen Weg gegangen und haben statt der initial empfohlenen frühen Intubation Atemtherapietechniken und nichtinvasive Beatmungsmethoden genutzt. Außerdem haben wir in Deutschland das Glück, auch klinisch stabile Patienten mit Pneumonie stationär aufnehmen zu können und zu isolieren. Dies ermöglicht uns, den Krankheitsverlauf sehr genau zu beobachten. Zwar ging es vielen unserer Patienten bei der Aufnahme gut, aber der Zustand hat sich zum Teil sehr schnell verschlechtert. Ohne diese medizinischen Möglichkeiten wäre aus meiner Sicht die Pneumonie sicherlich noch kritischer verlaufen.

Sehr früh hatte Dr. Jutta Kappes mit ihrem Team klare Regelungen zu Diagnostik und Therapie entwickelt, basierend auf aktuellen wissenschaftlichen Studien. Sie stand im kollegialen Austausch mit befreundeten pneumologischen Kollegen großer Lungenzentren im In- und Ausland. (Archivbild)

Was konkret haben Sie in dieser Phase der Beobachtung gemacht?

Wir haben Atemtherapietechniken und nicht invasive Beatmungsmethoden genutzt, die in dieser Intensität in Italien oder den USA beispielsweise nicht genutzt wurden. Alle beteiligten Ärzte und auch ich sind mehrfach am Tag zu den Patienten gegangen, um den klinischen Zustand zu kontrollieren. Unsere Pflegekräfte haben sogar rund um die Uhr alle zwei Stunden die Atemfrequenz, die Temperatur und die Sauerstoffsättigung im Blut gemessen. Hat sich ein Wert, insbesondere die Atemfrequenz, verändert, haben wir sofort die Atemtherapie intensiviert, oft auch eine CPAP-Therapie eingeleitet, eine maschinelle Unterstützung der Atmung – auch wenn der Patient noch stabil war und die Veränderung nicht gespürt hatte. Somit konnten wir meiner Meinung nach bei alten Menschen und Risikogruppen mit schweren Begleiterkrankungen einen komplizierten Krankheitsverlauf oder auch die Notwendigkeit der invasiven Beatmung vermeiden. All dies geschah immer unter vollständiger Schutzkleidung, was eine zusätzliche Belastung für alle Beteiligten war.

Wie sind die Patienten mit der Erkrankung umgegangen?

Auch bei den leichten Infektionen war es für unsere Patienten eine sehr belastende Situation, keinen Kontakt zu ihren Angehörigen zu haben. Die Schutzmaßnahmen lassen wenig menschliche Nähe zu, und das hat bei teilweise wochenlangen Krankheitsverläufen zu einer enormen psychischen Belastung geführt. Wir sind als Menschen soziale Lebewesen und besonders in Krankheitssituationen darauf angewiesen, eben nicht alleine zu sein. Das macht Angst und mit diesen Ängsten wurden wir konfrontiert.

Was war für Sie und Ihr Team besonders herausfordernd?

Am Anfang habe ich in meinem Team sehr viel Angst gespürt. Angst davor, mit der Erkrankung umzugehen, sich anzustecken und auch Angehörige anzustecken. Diese Angst konnte ich in vielen Gesprächen abmildern. Wir haben immer wieder mit Viren zu kämpfen, vor denen wir uns als Klinikpersonal adäquat schützen müssen. Das haben wir getan. Die erste Phase der Pandemie begann für uns zudem mit einer langen Planungsphase, in der wir Strukturen entwickelt haben. Als dann die ersten Patienten aufgenommen wurden, konnten wir von unseren detaillierten Vorbereitungen profitieren und unsere Patienten bestmöglich versorgen. Ich bin stolz, wie gut wir in der interdisziplinären Zusammenarbeit am KKM die erste Phase der Corona-Krise bewältigt haben. Dies zeigen auch unsere Überlebenszahlen.

Das Virus schon im Mundraum bekämpfen

„Dieses Virus verhält sich anders als bisher bekannte Viren in der Pneumologie“, sagt Chefärztin Dr. Jutta Kappes. „Umso wichtiger war es, viele Informationen zu sammeln in dieser ersten Phase.“ Das KKM hat zudem, soweit bekannt, als einziges Krankenhaus in Deutschland eine lokale Methode eingesetzt und angewandt, um es dem Virus schon im Mundraum „unbequem zu machen“, wie es Dr. Kappes formuliert. Der Hintergrund: „Das Virus gelangt über die Rachenschleimhaut in den Körper, wo es sich zunächst reproduziert. Wir haben Lutschtabletten eingesetzt, die eine virustatische und bakterizide Wirkung haben. Die Idee war, dadurch die Viruslast zu senken und somit einen milderen Krankheitsverlauf zu erreichen. Hier gilt es auch besonders, unserer KKM-eigenen Apotheke ein Dankeschön für die fachliche Unterstützung auszusprechen, damit wir das wirksamste Medikament entsprechend der bekannten Studienlage auswählen konnten“, so Dr. Kappes.

Das Interview wurde im August 2020 geführt.

 
 

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