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19.06.2019 / aktualisiert 18.12.2020

Der Wettlauf beginnt

Beim Schlaganfall zählt jede Minute: Je schneller mit der Behandlung und der Reha begonnen wird, desto größer sind die Chancen, Schäden im Gehirn zu vermeiden. Im Hohenloher Krankenhaus kümmern sich Ärzte, besonders weitergebildete Pflegekräfte und Therapeuten auf der Stroke Unit, einer spezialisierten Einheit, um die Patienten.

Bilder, die Klarheit bieten: In welcher Region die Durchblutung gestört ist, zeigen Neurologin Dr. Sabine Richter die Aufnahmen des Gehirns.

Angesicht zu Angesicht stehen sich Dora Hofmann und Physiotherapeutin Barbara Gall gegenüber. Gall hält die Hände der 80-Jährigen in Schulterhöhe, die nach einigen Sekunden leicht zur Seite wankt. Sie hat sichtlich Probleme, das Gleichgewicht zu halten. "Sie machen das gut. Schauen Sie, dass Sie Ihr Bein so hinstellen", sagt Gall zu der Rentnerin. Nach einem Schlaganfall muss Dora Hofmann Grundbewegungen wie Sitzen, Stehen oder Gehen neu einüben. "Wie ein kleines Kind muss ich wieder laufen lernen", sagt die Seniorin. 

Es ist eine Woche her, dass sie mit dem Verdacht auf einen Schlaganfall ins Hohenloher Krankenhaus in Öhringen eingeliefert worden ist. Nachdem die Untersuchung den Verdacht bestätigte, kam Dora Hofmann umgehend auf die Stroke Unit, eine hochspezialisierte Station, auf der sich ein Team aus Ärzten, Pflegern und Therapeuten intensiv um
die Patienten kümmert.

Rasch handeln

Dabei ist die Zeit der entscheidende Faktor: "Je früher wir mit Behandlung und Rehabilitation beginnen, desto größer ist der Erfolg, den man mit den jeweiligen Maßnahmen hat", sagt Dr. Michael Ackermann, Chefarzt der Inneren Medizin und Leiter der Stroke Unit. 

Ein Schlaganfall ist eine "schlagartig" auftretende Störung von Gehirnfunktionen, wenn eine Hirnregion nicht ausreichend mit Blut versorgt wird. Es gibt zwei mögliche Ursachen, erklärt Ackermann: "Eine Hirnblutung ist in 20 Prozent der Fälle die Ursache, in 80 Prozent ist es eine Durchblutungsstörung." Wenn die grauen Zellen nicht mehr ausreichend Sauerstoff und Nährstoffe erhalten, drohen sie abzusterben. Je nachdem wie stark und wie lange die Durchblutung beeinträchtigt ist, kann das betroffene Gehirnareal seine Aufgabe entweder vorläufig oder dauerhaft nicht mehr erfüllen. "Deswegen ist es wichtig, so schnell wie möglich in ein Krankenhaus mit einer Stroke Unit zu kommen", sagt der Chefarzt. Auf Englisch heißt das Motto: "Time is brain", also Zeit ist Gehirn.

Stroke Units: Schnelle Spezialisten

Auf Anzeichen achten

Kein Schlaganfall ist gleich. Jeder Patient braucht ein spezielles Training. – Patricia Schönwälder, Ergotherapeutin

Denn ein nicht behandelter Schlaganfall kann fatale Folgen haben: Laut der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe ist er die dritthäufigste Todesursache und der häufigste Grund für erworbene Behinderungen im Erwachsenenalter. Rund zwei Drittel der Patienten bleiben dauerhaft auf die Hilfe durch Angehörige oder Pflegekräfte angewiesen. Der Stiftung zufolge erleiden in Deutschland rund 270.000 Menschen jährlich einen Schlaganfall. "Ein Schlaganfall kann jeden treffen, am häufigsten jedoch ältere Menschen", erläutert der Leiter der Stroke Unit. Doch auch jüngere Menschen und selbst Kinder können betroffen sein. 

Angesichts dieser Zahlen sollten Anzeichen eines möglichen Schlaganfalls sehr ernst genommen werden, sagt Ackermann. "Das können Lähmungen, Taubheitsgefühle, Sprachstörungen, Sprachverständnisstörungen, Sehstörungen oder ungewohnt heftige Kopfschmerzen sein." Wenn solche Anzeichen auftreten, sollten Angehörige den sogenannten FAST-Test (siehe Kasten) machen. "So kann auch ein Laie erkennen, ob ein Schlaganfallverdacht besteht", so Ackermann. Ist das der Fall, muss sofort der Notruf unter der Nummer 112 verständigt werden.

Winziges Blutgerinnsel

Es motiviert mich, wenn eine Bewegung wieder funktioniert. In meiner Karriere habe ich vielen Menschen geholfen, wieder gehen zu können. – Barbara Gall, Physiotherapeutin

Als Dora Hofmann mittags zum ersten Mal schwindelig wurde, hielt sie es für eine Kreislaufschwäche. Sie ruhte sich aus, doch ihr Zustand besserte sich nicht. "Ich dachte, morgen früh ist das schon wieder weg", erzählt sie. Sie wollte sich keine Schwäche erlauben, denn sie pflegt alleine ihren Mann, der an Demenz und Diabetes erkrankt ist. Erst am nächsten Morgen erzählte sie ihrer Schwägerin von den Symptomen. Diese brachte sie dann zur Hausärztin, von dort ging es mit dem Krankenwagen direkt ins Krankenhaus. Wie die Untersuchung später zeigte, hatte ein winziges Blutgerinnsel den Schlaganfall verursacht.

Lieber einmal unnötig, als zu spät

Die Betreuung der Patienten ist sehr eng. Manchmal können wir schon nach drei Tagen echte Fortschritte sehen. – Daniela Horch, Fachkrankenschwester

Kommt ein Patient schnell ins Krankenhaus, kann das Gerinnsel mit Medikamenten aufgelöst werden. Die sogenannte Lysetherapie ist der einfachste Weg, die Durchblutung im Gehirn wiederherzustellen. "Diese Therapie ist allerdings nur bis zu viereinhalb Stunden nach Beginn des Schlaganfalls möglich", sagt Ackermann. Deswegen sei es essenziell, dass die Patienten so schnell wie möglich ins Krankenhaus fahren. "Bei einem Verdacht auf Schlaganfall lieber einmal unnötig, als zu spät kommen", so der Chefarzt.

Auf der Stroke Unit bleiben die Patienten nur in der akuten Phase, in der Regel sind das 72 Stunden. Danach werden sie auf andere Stationen verlegt. Doch schon in dieser ersten Phase beginnt - neben der Behandlung und dem Überwachen des Kreislaufs - die Rehabilitation. Neben der Physiotherapeutin Barbara Gall arbeiten Ergotherapeutin Patricia Schönwälder und Logopäde Bruce Rintschenk in der Abteilung. 

"In den ersten Tagen können wir am meisten erreichen. Die Patienten machen dann ganz viele Fortschritte. Später werden die Lernerfolge langsamer", erklärt Logopäde Rintschenk. Er wird gerufen, wenn das Sprechen, die Stimme oder gar das Schlucken beeinträchtigt sind. Durch einen Schlaganfall können Patienten selbst das Schlucken verlernen. "Ich schaue dann, was sie essen oder trinken können", sagt er. Ansonsten hilft der 29-Jährige Menschen bei Sprach- und Wortfindungsproblemen.

Wie ernst es ist, zeigt der FAST-Test

FAST kommt aus dem Englischen und steht als Abkürzung für Face (Gesicht), Arms (Arme), Speech (Sprache) und Time (Zeit). Bei Verdacht auf Schlaganfall gibt der FAST-Test schnell Aufschluss. 

Face: Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf eine Halbseitenlähmung hin. 

Arms: Bitten Sie die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder dreht sich. 

Speech: Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, liegt vermutlich eine Sprachstörung vor. 

Time: Zögern Sie nicht, wählen Sie unverzüglich die 112 und schildern Sie die Symptome. Teilen Sie dem Notarzt unbedingt mit, dass Verdacht auf einen Schlaganfall besteht, damit sofort schnelle und fachkundige Hilfe geleistet werden kann.

Bewegungen neu erlernen

Durch einen Schlaganfall können Patienten auch den Zugang zu ihren Gliedmaßen verlieren, erklärt Physiotherapeutin Barbara Gall. Sie kümmert sich um die Motorik und Sensibilität von Patienten. "Das Einmaleins der Bewegung", wie sie es beschreibt. "Nachdem ich die Bewegung des Patienten analysiert habe, üben wir zusammen in ganz vielen Teilschritten, wie die Bewegung richtig geht." Das sei äußerst wichtig: Denn eine falsch erlernte Bewegung, die viel Kraft erfordert oder dem Körper schadet, verschwindet meist nicht wieder. 

Ergotherapeutin Patricia Schönwälder kümmert sich um Orientierung und Wahrnehmung - physisch und mental. "Wir trainieren beispielsweise die Kraft und Beweglichkeit in den Händen", erzählt sie. Sie hilft aber auch bei Alltagshandlungen wie Zähneputzen oder Anziehen. "Manche Patienten wissen nicht mehr, ob sie erst die Schuhe oder die Socken anziehen müssen."

Üben, üben, üben: In kleinen Schritten trainiert Barbara Gall mit Dora Hofmann die richtige Bewegung.

Hoffnung geben

Ich hatte schon Patienten, die anfangs gar nicht sprechen konnten und sich jetzt wieder unterhalten können. – Bruce Rintschenk, Logopäde

Damit die Therapeuten wissen, welche Maßnahmen für welchen Patienten geeignet sind, sprechen sie sich mit den Ärzten und Krankenschwestern intensiv ab. "Wir sind am engsten an den Patienten dran und bekommen mit, wie es ihnen gerade geht", erklärt Pflegerin Daniela Horch. Sie hat, wie mehrere Kolleginnen, eine besondere Weiterbildung für den Umgang mit Schlaganfallpatienten absolviert. Denn dieser ist oft herausfordernd. "Viele Patienten ziehen sich zurück und fühlen sich verloren", erklärt die Pflegerin. "Wir versuchen, sie aufzubauen und ihnen Hoffnung zu geben." 

Auch Dora Hofmann macht sich Sorgen, wie es weitergeht. Mit ihr und ihrem Mann. "Ich sage mir: Das wird schon wieder." Und dann macht sie noch eine Übung.

Teamarbeit: Ärzte, speziell für Schlaganfall ausgebildete Pflegekräfte und Therapeuten
stimmen die Behandlung ab.

Text: Joris Hielscher | Fotos: André Loessel

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